Herr Bruder Seelen-Freund/ ich hab es zwar erfahren! |
- Carl Seyffart, nach
(abc)
ABC (2) Die drei Schicksalsgöttinnen - nach anderer Lesart auch Io, die Schwester des Phoroneus - schufen die fünf Selbstlaute des ersten Alphabets und die Mitlaute B und T. Palamedes, der Sohn des Nauplios, erfand die übrigen elf Konsonanten. Hermes formte diese Laute zu Buchstaben, die er, nach der Flugformation der Kraniche, als Keile stilisierte. Über ihn gelangte das System von Griechenland nach Ägypten. Es war das pelasgische Alphabet, das Kadmos später nach Boiotien zurückbrachte und das Euandros von Arkadien, ein Pelasger, in Italien einführte. Dessen Mutter Carmenta schuf die fünfzehn Buchstaben des lateinischen Alphabets.
Später wurden dem griechischen Alphabet von SIMONIDES VON SAMOS und EPICHARMOS von Sizilien noch andere Konsonanten hinzugefügt. Die beiden Selbstlaute langes O und kurzes E aber wurden von den Priestern des Apollon geschaffen, damit seine heilige Leier für jede einzelne der sieben Saiten einen Vokal hatte.
Alpha war der erste der achtzehn Buchstaben. Alphe
bedeutet Ehre, und alphainein heißt ›erfinden‹.
Außerdem war Alpheios der bedeutendste aller Flüsse. Der Boioter
Kadmos beließ alpha, obwohl er die Reihenfolge der Buchstaben
veränderte, an der Spitze, weil aleph
in der phoinikischen Sprache Ochs bedeutet und Boiotien das Land
der Ochsen ist. - (
myth)
ABC (3)
a wird eintreten, doch b kann warten, c wird d zu lange brauchen, e und f dürfen zu i und j. g und h betreffen und veranlassen k und l. erst kommt m und n vor o, doch r und s nach p und q. wird t gefolgt haben oder sein? u und v eröffnen w und x, zu machen y und z und y machen zu. x und w eröffnen v- und u-sein - oder »haben gefolgt«, t wird q und p nach s und r, doch o vor n, und m kommt erst. l und k veranlassen und betreffen h und g, j und i zu dürfen, f und e brauchen lange, zu d wird c. warten kann b. doch eintreten wird a |
- (
palin
)
ABC (4) Als ich das ehrwürdige Alter von einem Jahr erreicht hatte, trug es sich eines Tages zu, daß ich sehr heftig weinte. Meine Frau Mutter suchte meine Tränen zu stillen und sagte dabei, wahrscheinlich ganz absichtslos:
»Armes Kind, fehlt dir etwas ?«
Nun, ich war der Sprache bereits mächtig und säumte daher auch nicht, zu antworten:
»Ach nein, geliebte Mama; mich hungert nur sehr; auch habe ich einigen Durst und bitte dich, für die Befriedigung dieser Bedürfnisse Sorge zu tragen.«
»Wie, Alexander«, rief meine Mutter voll Staunen aus (ich hatte mich nämlich, meine ganz abnormen Heldentalente voraussehend, Alexander taufen lassen), »du kannst sprechen?«
»Ei freilich, Mama«, erwiderte ich.
Dies geistreiche Gespräch überzeugte meine Frau Mutter, daß es nun die höchste Zeit sei, an meine fernere Bildung zu denken. Auch mein Herr Vater war der Meinung, wenn ein Knabe einmal ohne allen fremden Unterricht auf der Stufenleiter menschlichen Wissens schon so weit vorgerückt sei, daß er sprechen könne, so habe er den Grundstein aller Weisheit gelegt, und man müsse dann auch die weitere Aufführung des Weisheitsgebäudes nicht verabsäumen.
Schon am nächsten Tage daher, als an meinem Geburtstage, erhielt ich neben dem ersten Paar Hosen auch einen Hofmeister geschenkt.
Der Herr Magister nahm mich gleich am folgenden Tage in die Lehre, und ich beschloß, mir dafür, daß er sich viel weiser hielt als mich, einen rechten Spaß mit ihm zu machen.
»Mein Sohn«, begann er, nachdem er sich gehörig geräuspert und in Positur gesetzt hatte, »mein Sohn, der Mensch ist der Erwerbung und Aneignung großer Weisheit fähig, die Grundlage aller menschlichen Weisheit aber ist ...«
»Das ABC!« fiel ich ihm in das Wort.
»Richtig!« sagte er; »woher aber weißt du das?«
Ich zuckte, ohne etwas zu erwidern, mit den Achseln, und er fuhr fort:
»Wer daher das Alphabet erlernt hat, der darf sich rühmen, sich den Zutritt zu dem glorreichen Tempel der Weisheit gebahnt zu haben. Aber aller Anfang ist schwer, und so gehört denn auch die Erlernung des Alphabets zu dem Schwersten, was es gibt. Um nun dieses ungemein schwere Studium zu erleichtern, sind bereits in der Bildung weiter fortgeschrittene Männer auf den Gedanken gekommen, die einzelnen Buchstaben des Alphabets dem Gedächtnisse dadurch besser einzuprägen, daß sie dieselben in Verse brachten, wie z. B. den ersten, A...«
»Jawohl!« rief ich, »wie zum Beispiel:
Das ALTER macht aus Unrecht Recht,
Der ADEL handelt niemals
schlecht.«
Mein Herr Präzeptor sah mich mit großen Augen an und vermochte vor Staunen kein Wort hervorzubringen; ich aber fuhr fort, mehr solche Verse zu machen:
»Der CONSTANTIN ist ein arger Tyrann,
Den nur die CHOLERA
bändigen kann.
Der DEMANT ziert das DIADEM;
Der DEUTSCHE
lebet gern bequem.
Das EISEN ist zu Ketten gut,
Ein EDELMANN hat Extra-Blut.
Die FOLTER existiert nicht mehr,
Doch FÜRSTEN gibt's wie
Sand am Meer.
Von GOTTES GNADEN sind wir los,
Und GOTTES GNADE bleibt
doch groß.
Die HOFLUFT ist gewaltig schlecht;
Die HÄSCHER haschen
oft das Recht.
Der IGEL ist ein stachlig Tier,
Der JULI ist des JAHRES
Zier.
Viel' KRONEN sind von Goldpapier;
Der KANTSCHU ist des
KAISERS Zier!
Wer LAND und LEUT' tyrannisiert,
Wird LEGITIM oft tituliert.
MONARCHEN sind der Völker Glück;
Dem MISSETÄTER wird der
Strick.
NEUTRALITÄT ist gar nichts wert;
Was NUTZEN bringt, wird
hoch geehrt.
Verdienst beweist der ORDEN klar;
Gut ist nur das, was
OLIM war.
PASKEWITSCH war ein tapferer Held;
Den POLEN Amnestie mißfällt.
QUACKSALBER gibt es überall;
Die Großen sind der Kleinen
QUAL.
Gewalt und Macht geht über RECHT;
Die RUTE
hört dem feigen Knecht.
Großen SÜNDERN wird gehöfelt;
SPRECHEN heißt gar oft gefrevelt.
Sucht die TREU' am rechten Ort;
Der TEUFEL
tut den Menschen TORT.
UNMÜNDIG sind die Völker nicht;
Der UNSCHULD
oft der Mut gebricht.
Die Unumschränktheit sagt VALET;
VERFASSUNG VÖLKERN herrlich
steht.
Der WILLE ist das höchste Recht;
Die
WEISHEIT spekuliert oft schlecht.
Der ZUFALL herrschet in der Welt;
Das
ZEPTER mit der Hand man hält.«
Ich muß gestehen, daß ich bei der Hersagung dieser Verse nur
meine Eitelkeit zu befriedigen bestrebt hatte. - Ludwig
von Alvensleben, Der Lügenkaiser. In: Erwin Wackermann (Hg.),
Münchhausens wunderbare Reisen. Die phantastischen Geschichten
des Lügenbarons und seiner Nachfolger. München 1968 (dtv 527,
zuerst 1833)
ABC (5) Ein nicht geträumter Traum: Bei Strafe,
in den Abgrund hinabstürzen, hinein in die Hölle der
heutigen Welt (Mord, Folter, Lüge, politische Verfolgung, Hunger), muß ich in
großer Höhe eine lange Linie, die aus den Buchstaben des Alphabets besteht,
von einem Ende zum anderen durchlaufen. Indem ich mich mit beiden Händen anklammere
und meine Beine ins Leere baumeln lasse, hangele ich mich von einem Buchstaben
zum andern und werde jedes Mal von einem Schwindelgefühl
gepackt, wenn ich, um mich weiterzuhangeln, mich nicht ohne Zögern dazu bestimmen
lasse, einen weiteren Griff nach vorwärts zu tun. Von A
ausgegangen, frage ich mich, ob ich die Kraft habe, bis Z
zu gelangen, wo ich - wie ein Drahtseilkünstler,
der nach der schwierigen Überquerung auf seiner Plattform angelangt ist - in
Sicherheit sein werde. Ich habe große Lust aufzugeben, ebenso sehr wegen des
körperlichen Schwindelgefühls wie aufgrund desjenigen, das auf das Bewußtsein
von der Absurdität der Situation zurückgeht, aber wie soll ich es anfangen?
Wenn ich mich dazu entscheiden würde, dann müßte ich nämlich entweder zu meinem
Ausgangspunkt zurückkehren, ein Unterfangen, das genau so gefährlich ist wie
das erste, oder aber bis zur Erschöpfung an dem Konsonanten oder dem Vokal hängenbleiben,
über den ich auf meiner tastenden Bahn nicht hinausgelangt wäre. - (
leiris2
)
ABC (6) PALETTENABC: Do you know Basel wird immer dicker. Er reißt den weißen Rand von der Bildzeitung ab und sagt zu Jäcki:
- Jetzt spielen wir ABC. Ich brauch erst um fünf bedienen. Für jeden Buchstaben
schreiben wir ein Wort auf. Zum Beispiel: A-Anus.
- Nicht Anus. Quatsch!
Arsch.
- Alpha Romeo.
- Arsch.
- Gut.
-
B.
-
Bunzlau.
- Brille. Baller, Borsche. Buick.
-
Bigamie. Bütel. Bistro.
- Bummsen, Ballerina.
- Berenice.
- Was ist denn
das?
- Theaterstück. Bügeln.
- Bummsen.
- Gut.
- C.
- Canaille.
-
Cadillac.
- Auch ausländische Wörter?
- Klar.
- Cadillac.
- Con.
-
Cadillac. D. Dergl. E.
- Eumel.
- Schreibt sich, glaube ich, mit O.
Erektion. Einbruch. Erektion.
- F.
- Findelkind.
- Fips.
- Was unanständiges.
-
Fliederbeere. G. Gonorrhoe.
- Gamla Staden.
- Group
Sex.
- Goethe.
- Goebbels.
- Gorilla.
-
Goreng.
- Das ist mit N. Nasi.
- Geschlechtsverkehr.
- Günther.
-
Guadalquivir.
- Keine Erdkunde. Meinetwegen. Guadelope.
- Guadalquivir.
H.
- Homosexuell.
- Austin Healey.
- Hortensie.
- Homosexuell.
-
I. Introduktion.
- Was?
- Einführung.
- Introduktion. J.
Jäcki:
- Jäcki.
- Gut.
- K.
- Klistir. Klitoris.
- Konstantinopel.
-
Kitzler.
- Kleopatra.
- L.
- Lakritze.
- M. Möse.
Mercedes.
- N.
- N.
- Nittribitt.
- O.
- Oymel.
- P. Porsche.
-
Qu.
- Qualle.
- Quasselwasser. R.
- R.
- S.
- Sack.
-
Syphilis.
- Seibeln.
- Seibeln.
- Seibeln ist gut.
- T.
- Tonic.
-
R ist noch offen.
- Riemen.
- T. Trippelfuge.
-Toilette. Tarnkappe.
-
U.
- Uterus.
- V.
- Vaganten.
- W.Wally.
- Wagner.
- Xantippe.
-
Xerxes.
- Wer?
- Oder der verliebte König. Musikhalle. In der schlechten
Zeit. Als die Oper noch nicht wieder funktionierte.
- Xiss, xiss.
- Y.
-
Ypern. Z. Zaster. Zampelbütel.
- Zarathustra.
- Zack, zack. Finish.
-
X, Y, Z ist immer schwer. Auch wenn man für Kühe Namen finden soll. Jedes Jahr
müssen die Namen von den Quiegen mit einem anderen Buchstaben anfangen. Die
heißen dann Lauterkeit, Litanei, Obrigkeit, Xylophon.
- Für P könnten wir
auch Preser nehmen.
- Gut. Preser. - (
fich
)
ABC (7)
Laßt eure Träume fahren, daß man mit euch Laßt nur eure Hoffnungen fahren Ihr müßt das Abc noch lernen. Denkt nur nicht nach, was ihr zu sagen habt: (Aber das soll euch nicht entmutigen!) |
- Bertolt Brecht, Gesammelte Werke. Frankfurt am
Main 1967