bbé von
Vaubrun. Er war mit seinem gesetzten Charakter und seiner ernsten Miene
der frivolste Mensch seiner Zeit. Er hatte keine der hervorstechenden Eigenschaften,
die Vergnügen bereiten, aber alle lächerlichen Züge, die Mitleid erregen. Er
hatte das schmeichlerische Wesen einer Frau und den Körper eines mißgestalteten
Mannes. Höchst albern in Lob und Tadel, war er unverschämt in der Bewunderung.
Seine Eitelkeit ließ ihn Ansprüche an das Glück stellen, die eben durch diese
Eitelkeit alle scheiterten.
So zog er aus, und kam, obwohl er den bequemsten Weg eingeschlagen hatte,
doch nie ans Ziel.
Man könnte den Geist so weit erniedrigen, daß man sagte, er hätte welchen,
aber es ist unmöglich, den gesunden Menschenverstand derart herabzusetzen, und
bei ihm welchen zu vermuten, ist unmöglich. Bei all dem war er wunderbar in
der Gesellschaft, weil er wenige Fehler und gar keine Tugenden hatte. -
(
mont
)
Abbé (2) Er ist dick, klein, beleibt, hat ein großes
und volles Gesicht, ein echter Mönch in Fett gebettet; kein Äußeres, keine Physiognomie,
kein Geist, kein Gesicht, alles steckt drinnen: das Herz nach der Art seines
Landes und seines Standes, verschlossen, schwierig, mißtrauisch, verschlagen;
ein Freund, wenn es sein muß, dienstfertig, ohne Verbindlichkeit, hilfsbereit
bis zu seiner Börse, aber ausschließlich in seinem eigenen Interesse; keine
gesellschaftlichen Qualitäten: Hemmungen, Schroffheit, Verwirrung stiftend,
niemals den richtigen Ton findend, ohne jede Schlagfertigkeit, keinerlei einnehmendes
Wesen; streitsüchtig, maulend, unzufrieden, völlig hypochondrisch bis zu Hirngespinsten;
Projekte auf Projekte, eine ewige Unbeständigkeit, ein Diogenes
im Wollgewand, er ißt nur, um zu leben, bemüht sich weder um Galanterie noch
um Anmut, er begehrt die Frauen und macht sie dann schlecht; er hat einen feurigen
und erstaunlich grotesken Geist — und was noch? Er kennt Gott nur vom Hörensagen.
- N.N., nach dem Nachwort zu: Henri Joseph du Laurens, Mathieu oder Die
Ausschweifungen des menschlichen Geistes. Nördlingen 1988 (Die Andere
Bibliothek 47, zuerst 1765)
Abbé (3) Ein Abbé hatte in seinen letzten Lebensjahren
die Zwangsvorstellung, ein Gerstenkorn zu sein. Er rang heftig mit sich, konnte
sich aber nicht dazu entschließen, das Haus zu verlassen, aus Angst, von seinen
eigenen Hühnern aufgepickt zu werden. - Reveille-Parise, Studien
zur menschlichen Gesundheit und Krankheit (1845), nach
(
sot
)
Abbé (3, zuküftiger) Der Abbé Tallemant besitzt Geist und
Bildung; er verfertigt sogar anmutige Dinge, aber nichts ist zu Ende gebracht;
dabei ist er der unruhigste Geist Frankreichs und der trübsinnigste. Allerdings
ist dieser Trübsinn bisweilen recht kurzweilig.
Aus Ehrgeiz wechselte er den Glauben, und er faßte diesen Beschluß vor zwanzig
Jahren, als einer meiner Brüder aus erster Ehe mit ihm und mir nach Italien
reiste. Er war der jüngste von uns dreien und noch nicht achtzehn Jahre alt.
In Venedig, wo wir verweilten, bevor wir nach
Rom weiterreisten, schlief er mit einer Kurtisane;
am nächsten Morgen fragten wir ihn: «Na, und, war sie hübsch?» - «Die Schönste
von der Welt», erwiderte er, «sie hatte nicht das kleinste Härchen
an den Schenkeln.» - «Ach! Das Unschuldslamm!» riefen wir. «Da hat er seine
Jungfernschaft bis nach Italien mitgenommen.» -
(tal)