bbau,
kultureller Unter den geschichtlichen Veränderungen, die man
doch wenigstens bemerkt - wenn schon nicht ›erlebt‹ - haben möchte, ist
verblüffend der Schwund der Beleidigungen. Ich erinnere mich noch gut an frühe
Zeitungslektüre, bei der mich die ausgefeilten Künste der Ausübung von und Empfindsamkeit
für Beleidigungen beeindruckte. Ohrfeigen, zumal verbal angebrachte, spielten
m Gerichtssälen eine große Rolle. Aber wer kann heute noch beleidigt werden?
Oder, anders gesagt: Wer würde sich die Blöße geben, merken zu lassen, es könne
ihn einer beleidigen? »Sie schon gar nicht!« pflegte man vorzeiten zu sagen,
und das war gleich eine der schlimmsten. Vielleicht ist das deutlichste Kriterium
der Änderung, daß seit der Strafrechtsreform von 1969 nicht einmal Gott noch
beleidigt werden kann. Die durch das Grundgesetz geschützte ›Würde‹ ist
auf einen so kleinen und harten Kern reduziert, daß sich einer schon sehr anstrengen
muß, sie zu treffen. - (blum)
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